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Spantik 1988 - Tagebuch
18.06.1988
Startabbruch wegen Triebwerkschaden
Aufgeregt überprüfe ich am Morgen nochmals meine Ausrüstung und die Reisepapiere. Alles ist vorhanden und so steige ich wenig später mit meinem prall gefüllten Seesack in den Zug nach Frankfurt. Während der Fahrt beschäftigen mich viele offenen Fragen und es stellt sich ein ungutes Gefühl in der Magengegend ein. Was erwartet mich in Pakistan? Wie komme ich mit der Höhe zurecht? Wie harmoniert die Gruppe?
Bis dato war mein höchster Berg der Montblanc, den ich zusammen mit meinem Partner Hartmut Weber, auf verschiedenen Routen mehrmals bestiegen habe. Die schwierigste Route war zweifelsohne der Peuterey Integral. Er beinhaltet die Gratüberschreitung der Aig. Noire, S-Grat mit dem Abstieg über die NW-Kante sowie die Umgehung der Dames Anglaises und den Weiterweg zum Mont Blanc. Es ist der längste kombinierte Gratanstieg in den Alpen, für den wir damals drei Tage benötigten.
Nach zwei Stunden Fahrtzeit treffe ich an unserem vereinbarten Treffpunk am Flughafen ein. Glücklicherweise sind bereits mehrere Teilnehmer unserer Gruppe vor Ort und so löst sich meine Anspannung. Ein letzter Anruf zuhause und dann begeben wir uns mit dem umfangreichen Gepäck zum Schalter der Fluggesellschaft. Dort beginnt ein Feilschen, wie viel wir für das Übergepäck zu zahlen haben. Nach einigem hin und her kann unser Expeditionsleiter dem Personal glaubhaft machen, dass der Veranstalter dafür vorab Sonderkonditionen vereinbart hat. Das Gepäck ist schließlich aufgegeben und zwei Stunden später sitzen wir im Flugzeug. Wir rollen zur Startbahn und der Pilot beginnt mit den Startvorbereitungen. Er gibt Vollgas und die Maschine beschleunigt, dann plötzlich wird der Startvorgang abgebrochen und wir werden in die Sicherheitsgurte gedrückt. Was ist los? Wir verlassen die Startbahn und kehren zum Terminal zurück. Angeblich gibt es Probleme mit einem Triebwerk und so müssen wir das Flugzeug wieder verlassen. Wir warten eine Stunde in der Wartehalle, dann wir der Flug gestrichen und ein Bus bringt uns in das nahe gelegene Hotel Plaza. Es ist sicher ein schönes Hotel, aber so habe ich mir den Start der Reise nicht vorgestellt.
19.06.1988
Ankunft in Islamabad
Um 9:00 Uhr werden wir mit dem Bus zum Flughafen gebracht. Das Triebwerk wurde in der Nacht repariert und so können wir gegen Mittag in Richtung Pakistan starten. Unsere Gruppe sitzt in einer Reihe und so gibt es im Laufe des achtstündigen Fluges viel zu erzählen. Mehrere Teilnehmer haben die Berge in Asien bereits aus der Nähe gesehen, für mich ist es allerdings Neuland und ich bin sehr gespannt, was mich erwartet. Den Expeditionsleiter Herbert Streibel kenne ich bereits von meiner Fachübungsleiterausbildung und erhoffe mir dadurch einen guten Einstieg in das Expeditionsbergsteigen.
Gegen 22:00 Uhr landen wir in Islamabad und werden dort mit Temperaturen um die 40 °C konfrontiert. Das Warten auf unser Gepäck in der heißen Halle des Flughafens wird schnell zur Qual. Nach zwei Stunden können wir endlich das Flughafengebäude verlassen und werden mit einem Bus zum Pearl Continental Hotel in Rawalpindi gebracht. In diesem tollen Hotel steigen üblicherweise nur die Reichen ab und mit unseren Bergsteigerklamotten kommen wir uns etwas deplatziert vor.
20.06.1988
Besorgungen in Islamabad
Wir sind einen Tag im Zeitplan hinterher und so müssen heute möglichst schnell die notwendigen Behördengänge erledigt werden. Neue Vorschriften verlangen weitere Dokumente mit Passbildern, die wir zunächst bei einem Fotografen angefertigten lassen müssen. Nachdem alle notwendigen Dokumente ausgestellt sind, fahren wir zum Postamt um Briefmarken für unsere Postkarten zu kaufen. Allerdings ist die von uns benötigte Anzahl von Briefmarken mit dem entsprechenden Porto nicht vorrätig und so müssen bis zu drei Briefmarken auf jede Postkarte geklebt werden. Wegen der Behördengänge ist es uns nicht mehr möglich, die Schah-Faisal-Moschee im Nordwesten der Hauptstadt Islamabad zu besichtigen. Wir beschließen den Abend mit einem gemeinsamen Abendessen im Pearl Continental Hotel.
21.06.1988
Flug nach Skardu (2316 m)
Für heute ist gutes Wetter vorhergesagt und so fahren wir um 5:00 Uhr zum Flughafen um einen Flug nach Skardu zu bekommen. Sehr häufig erlaubt das Wetter jedoch keinen Flug und man muss über den Karakorum-Highway in einer sehr anstrengenden Busfahrt die nahezu 800 km hinter sich bringen. Die örtliche Agentur schleust uns mit dem überdimensionierten Gepäck an den Kontrollen vorbei und ruckzuck sitzen wir im Flugzeug. Werden wir vom Flugzeug aus den Nanga Parbat sehen? Es kommt noch viel besser, wir dürfen ins Cockpit und können von dort aus den „Schicksalsberg der Deutschen“ in Augenschein nehmen.
Nanga Parbat (8125 m) der neunthöchste Berg der Erde.
Am Ende des westlichen Himalaya im nördlichen, pakistanisch kontrollierten Teil von Kaschmir gelegen, ist er die größte sichtbare, freistehende Massenerhebung der Erde. Der Höhenunterschied zum 25 km entfernten Industal (und Karakorum Highway) beträgt etwa 7000 m. Die gegen Süden gelegene Wand (Rupal-Flanke) ist mit 4500 m die höchste Gebirgswand der Erde. Der Berg besteht hauptsächlich aus Graniten und Gneisen. Je nach Wetterbeschaffenheit wird er auch als der Berg der Bläue bezeichnet. Klimatisch ist er in eine thermische Doppelzone eingebettet. (Wikipedia)
Ich bin fasziniert von der Größe dieses Berges und es ist für mich nicht vorstellbar, wie Herman Buhl am 3. Juli 1953 den Gipfel erreichen konnte. Bei traumhaftem Wetter landen wir in Skardu der Hauptstadt der Region Baltistan.
Baltistan ist eine Region und eine Division im pakistanisch verwalteten Teil des Kaschmirgebietes. Hauptort ist Skardu. Die gebirgige Region liegt zwischen Karakorum und Himalaya und bildet administrativ eine der drei Agencies des Sonderterritoriums unter Bundesverwaltung Gilgit-Baltistan, das früher als Nordgebiete (Northern Areas) bezeichnet wurde. Das Gebiet erstreckt sich über die folgenden fünf Täler: Skardu, Khaplu, Shigar, Kharmang und Rondu. (Wikipedia)
Skardu ist der zentrale Ausgangspunkt für die meisten Expeditionen und Trekkingtouren im Karakorum. Auf dem Markt werden jegliche Expeditionsausrüstungen angeboten und es besteht durchaus noch die Möglichkeit hier das ein oder andere für die Expedition zu erstehen, wenn es erforderlich ist. Vom Flughafen werden wir mit Jeeps zum wunderschön gelegenen Shangrila Hotel, etwas außerhalb der Stadt gelegen, gebracht. Die meisten Bergsteiger ziehen das zentraler gelegene K2 Hotel in der Stadt vor, aber dafür entschädigt die Hotelanlage mit einem kleinen See und imposanten Rosenbeeten inmitten der Steinwüste.
22.06.1988
Akklimatisationstag in Skardu (2316 m)
Unser Begleitoffizier verspätet sich und so wird unter Berücksichtigung der zahlreichen Flussquerungen die Entscheidung getroffen, erst morgen früh bei Niedrigwasser mit den Jeeps zu starten. Eine weise Entscheidung, nachdem die meisten Teilnehmer mit Magenproblemen kämpfen und sich der Verdauungstrakt erst einmal an das Wetter, Belastung und das fremdartige Essen gewöhnen müssen. So unternehmen wir am Morgen einen Stadtbummel in Skardu und wandern am Nachmittag zu einem nahen gelegenen malerischen See.