Nadelhorn (4327 m) Nordostgrat
7. Juli 2006
Die Anreise nach Saas Fee zieht sich dahin und wir verbringen viele Stunden auf der Autobahn! Am frühen Nachmittag sind wir schließlich in Saas Fee (1798 m) und stellen unsere Fahrzeuge auf den großen Parkplatz am Ortseingang ab.
Schnell ziehen wir unsere Bergsteigerausrüstung an, setzen den Rucksack auf und beginne mir dem Aufstieg zur Mischabel Hütte (3340 m). Der südseitig verlaufende Weg ist bei einem wolkenlosen Himmel schon nach kurzer Zeit schweißtreibend. Glücklicherweise wird es mit zunehmender Höhe deutlich kühler und wir können unser Gehtempo etwas erhöhen.
Seit meinem letzten Aufenthalt auf der Mischabel Hütte (3340 m) ist der steinschlaggefährdete Weg zu Hütte komplett verlegt worden. Jetzt entschärft ein eleganter Klettersteig die gefährlichen Stellen. Obendrein macht es Spaß über den nicht sonderlich schweren Klettersteig noch oben zu steigen.
Auf der Hütte sind heute nur sehr wenig Bergsteiger und so können wir es uns gemütlich machen. Der Hüttenwirt meint es mit dem reichhaltigen Abendessen besonders gut mit uns. Gesättigt gehen wir früh zu Bett und warten auf den obligatorischen Weckruf nach Mitternacht.
8. Juli 2006
Der Weckruf kommt wie immer viel zu früh und es fällt uns schwer, nach der kurzen Nacht, in die Gänge zu kommen. Es hilft aber nichts, wir haben einen straffen Zeitplan den wir einhalten müssen. Nach der sparsamen Morgentoilette treffen wir uns schlaftrunken im Gastraum zum Frühstück. Die meisten sind heute Morgen wortkarg und bemühen sich, das Frühstück herunter zu bekommen. Meine zwei Scheiben trockenes Brot und die Tasse Kaffee habe ich nach wenigen Minuten zu mir genommen und gehe im Anschluss vor die Hütte, um nach dem Wetter zu sehen. Es sind Sterne am Himmel zu sehen und der Blick auf das Thermometer bestätigt mir die gefühlte Temperatur. Es ist unterhalb des Gefrierpunkts und wir können vermutlich mit optimalen Schneeverhältnissen beim Aufstieg rechnen. Toll, dann kann es ja losgehen.
Nach kurzer Zeit versammeln sich alle vor der Hütte und wir besprechen die Taktik für den heutigen Tag. Jetzt kann es losgehen! Im Lichtkegel der Stirnlampen steigen wir im Gänsemarsch langsam auf dem Moränenrücken neben dem Hohbalmgletscher hinauf, bis wir einem ausgeprägten Platz in 3600 Meter Höhe erreichen.
Hier legen wir die Klettergurte und die Steigeisen an, bilden zwei Seilschaften und gehen auf dem Gletscher in nördlicher Richtung. Mit dem Blick auf die Lenzspitze-Nordostwand queren wir über den etwas steileren Firnhang hinauf zum Windjoch.
In der Zwischenzeit wird es langsam hell und die umliegenden Berge werden sichtbar. Am Windjoch machen wir eine kurze Pause und lösen die Seilschaften auf, da im weiteren Verlauf des Aufstiegs keine Spaltensturzgefahr besteht.
Oberhalb vom Windjoch geht es anfangs über einen breiten Firngrat, der im weiteren Verlauf im immer schmaler und steiler wird. Er mündet in einem mit Neuschnee bedeckten Felsgrat. Das Klettern über die schneebedeckten Felsen ist uns dort zu gefährlich und so entscheiden wir uns für den Aufstieg im steilen Firn unterhalb der Felsen.
Schon nach kurzer Zeit zeigt sich, dass diese Variante nicht optimal ist. Das Blankeis unter dem Neuschnee lässt den Aufstieg zu einem Abenteuer werden. Die Steigeisen finden häufig keinen ausreichenden Halt in der steilen Firnflanke und wir steigen doch hinauf zum Felsgrat. In dem grundlosen Schnee sind zusätzlich über große Distanzen keine hinreichenden Sicherungsmöglichkeiten vorhanden. Durch das umsichtige Steigen aller Teilnehmer könnten wir die Felsen problemlos erreichen. Mir fällt ein Stein vom Herzen, als wir diese heikle Passage überwunden haben und festes Gestein unter den Füßen haben.
In dem schneebedeckten und nicht übermäßig steilen Felsgrat kommen wir zunächst gut voran, bis ein Teilnehmer unverhofft ausrutscht. Er reagiert aber richtig und er kommt schnell zum Stillstand. Unverletzt!
Alle erreichen im Anschluss den Gipfel und wir können die Aussicht von der winzigen Plattform am Gipfelkreuz genießen. Beim Abstieg entscheiden wir uns für den Weg über den Felsgrat, der jedoch von uns die volle Aufmerksamkeit abverlangt. Trotz umsichtigen Abstiegs bleibt ein anderer Teilnehmer mit den Steigeisen am Felsen hängen und fliegt direkt mit dem Gesicht auf einen Felsen. Im Anschuss rutscht er mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit den steilen Firnhang hinunter. Er reagiert jedoch richtig und kommt nach längerer Schussfahrt zum Stehen. Ich eile zu ihm und erkundige mich nach seinem Befinden.
Sein Gesicht ist entstellt und aus einer klaffenden Wunde an der Nase rinnt Blut heraus. Wir verbinden das Gesicht so gut es geht und steigen im Anschluss langsam bis ins Windjoch ab. Dort nehmen wir die Verletzungen genauer in Augenschein, verbinden die Wunde erneut und steigen gemeinsam zur Mischabel Hütte (3340 m) ab.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen auf der Hütte geht es hinunter nach Saas Fee und im Anschluss fahren wir nach Hause.
Anmerkungen
Nach einer Untersuchung im Krankenhaus wird ein Nasenbeinbruch diagnostiziert.